Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Freitag, 29. November 2013

Persische Geschichten

Salam

inzwischen sind wir zwar schon in usbekistan, der folgende schwall an worten und geschichten gilt aber dem iran - diesem gedanken- und gefuehls- und sinnesraeder zum laufen bringenden land im mittleren osten. einen monat haben wir im iran gelebt, gewohnt, sind gereist, haben zahlreiche botschaftsbesuche hinter uns gebracht und sind in die persische kultur eingetaucht...es ist schwer, alle erlebnisse zusammen zu fassen, aber vielleicht sind es die kleinen geschichten, die am besten beschreiben, wie sich dieses land fuer uns angefuehlt hat:

tehranstadtverkehr& taxifahrer: schnell haben wir gelernt, dass die meisten taxifahrer uns als touristen abziehen wollen, indem sie einfach mal zehnmal hoehere preise verlangen. nach einer weile in tehran wussten wir aber, wie viel eine fahrt vom san'at-square zur turkmenischen botschaft kostet oder fuer welche strecken "se toman" (etwa einen dollar) ein angemessener preis ist. taxifahrer werden wohl nie unsere besten freunde, aber dennoch fand ich es immer sehr charakteristisch, wie sie mit ihren quaekenden stimmen ihre richtungen passanten in die ohren bruellten...und wenn wir dann einmal im taxi sassen, hatte man manchmal das staendige gefuehl, gleich wuerde etwas passieren - ein abgefahrener spiegel, ein auffahrunfall - aber nein, das scheinbare chaos im tehranischen stadtverkehr, bei dem auf einer vierspurigen strasse teilweise acht autos nebeneinander fahren, hupen und sich motorbikes dazwischen schieben, funktioniert! hierbei ein dank an die motorbiketaxifahrer, die uns einmal lebendig, ohne helm und in wahnsinnigem tempo durch den verkehr gefuehrt haben - respekt jungs!

tarof und hoeflichkeit: schon bevor wir ins land einreisten, hatten wir von "tarof" gehoert - einer typisch iranischen form von hoeflichkeit, die in manchen faellen aber nicht ernst gemeint ist. es hat eine weile gedauert, herauszufinden, wer jetzt ehrlich taroft und wer nicht. eine ganz typische situation: eine (aeltere) frau steigt in die ueberfuellte metro. ein mann springt auf und bietet seinen platz an - die frau lehnt ab - er bittet sie sich zu setzen - sie lehnt abermals ab - er bittet sie erneut, den platz anzunehmen - sie bedankt sich und setzt sich. man sagt, wenn ein angebot mehr als drei mal abgelehnt wird, will derjenige es wirklich nicht annehmen. bei nur zwei ablehnung heisst das noch lange nicht, dass der gegenueber es nicht will...manchmal war diese form der hoeflichkeit etwas langwierig, aber man bekommt ein gespuer dafuer. (taxifahrer tarofen auch manchmal, indem sie vorgeben, sie wollten kein geld fuer eine fahrt...da kann man aber mit ziemlicher sicherheit davon ausgehen, dass das nicht ernst gemeint ist.)

ansonsten gefiel mir die iranische art, sich zu bedanken oder zu verabschieden sehr: man neigt den kopf etwas zur seite und macht eine kaum merkliche nickbewegung. legt man dann beim "merci"-, "mamnun"- oder "chodaafes"-sagen noch eine hand auf sein herz, wird die wertschaetzung des gegenueber noch unterstrichen.

chai-kultur: "wir fuegen immer etwas zu unserem chai hinzu...zimt oder kardamom oder zitrone..." bei unserem iranischen freund A. , bei dem wir fast drei wochen in der haupstadt wohnten, habe ich es so genossen, zu jeder zeit persischen tee im samowar zubereiten zu koennen. auch sonst bekommt man bei besuchen als erstes chai angeboten - oftmals mit datteln oder keksen. einmal wurden wir in mashhad in einem klamottengeschaeft von dem ladenbesitzer zum tee eingeladen - extra fuer uns bereitete er einen spezialblumentee mit tiefblauer farbe zu und unterhielt sich mit uns uebers reisen..es ist so witzig, wenn einem die iraner erzaehlen, wie schlecht kaffee doch fuer die gesundheit ist, wenn sie doch selbst den ganzen tag mit ihrem chai herrumlaufen und selbst beim autofahren teeglaeser in den haenden halten...

hijab, chador und frauenrechte: als wir die grenze von armenien aus ueberquerten und richtung tabriz trampten, zog ich mein kopftuch noch tief ins gesicht und achtete darauf, dass ja keine haare zum vorschein kamen. schnell wurde mir aber klar, dass das kopftuch (auf farsi "hijab") durchaus auch locker getragen werden kann. viele religiose frauen tragen zwar einen chador (schwarzer ganzkoerperverhuellender umhang) oder ein fest gebundenes kopftuch, aber besonders in der haupstadt bemerkt man des oefteren auch mal, wie einer jungen frau die hijab vom kopf rutscht, ohne dass es sie zu stoeren scheint. viele moegen diese gesetzliche kleiderordnung von der regierung nicht, und tragen die hijab eher als modisches accessoire, als als muslimisches zeichen. ich habe das hijab-tragen nie wirklich gemocht, legte aber nach ein paar tagen mein kopftuch schon fast automatisch um, wenn ich aus dem haus ging. 
je laenger wir im iran waren, desto mehr wurde mir meine eigene freiheit als euopaeische frau bewusst: mein kulturkreis erlaubt es mir, mich so zu kleiden, wie ich will. ich muss mich nicht dem willen meines mannes oder meiner familie beugen und mich verhuellen. viele chador-frauen wirkten so weltfremd und verschlossen hinter ihren schwarzen gewaendern...ich kann zusammensein mit demjenigen, den ich liebe und darf das auch zeigen. ich darf arbeiten. ich darf meine meinung sagen und sie wird gehoert. ich bin als frau nicht weniger wert als ein mann. (leider gibt es eine menge regelungen, die eine iranische frau im gerichtsfall weitaus wertloser deklarieren als einen mann...) ich kann reisen...
all sowas wurde mir bewusst und ich bin so dankbar fuer all die moeglichkeiten, die mir offen stehen. aber dennoch schmerzt es, die unfreiheit vieler frauen im iran zu sehen...


basarleben: auch wenn wir auf den basaren staendig gebeten wurden, doch bitte mit in dieses und jenes teppichgeschaeft zu kommen und wir immer wieder erklaeren mussten, dass unsere rucksaecke und unser budget zu klein waeren, um einen grossen perserteppich zu tansportieren bzw. nach hause zu schicken, war das basarleben doch immer wieder ein erlebnis. ich liebte besonders die herrlich gewuerz - und trockenobststaende, die man schon von weitem an ihrem wunderbaren duft erkennen konnte und genoss die vielfalt der orange-, gruen-, rot-, gelb- und brauntoene, die nebeneinander ein sehr huebsches bild ergaben. auch wenn wir nichts kaufen wollten, machte es spass, einfach umherzuschlendern, den riesig beladenen karren der warentraeger platz zu  machen und die unglaubliche vielzahl an dingen zu bestaunen, die man auf einem basar erwerben konnte: klamotten, schuhe, gewuerze, schreibwaren, toepfe, suessigkeiten, werkzeug, obst, gemuese, brot, haushaltsgegestaende....

ashura & ein abend bei der polizei: irgendwie schaffen wir es immer wieder, gerade an feiertagen in einem land zu sein. im iran war es ashura - zwei feier- bzw. trauerwochen zum gedenken an den dritten imam hussein, der grausam ermordet wurde. besonders religiose menschen nehmen zu diesem anlass an zeremonien teil, bei denen sie sich mit ketten oder stangen (symbolisch) selbst geisseln und damit das leiden des imam nachempfinden. 
am dritten tag dieser zerememonien schlug unser host A. vor, wir koennten doch in die stadt fahren und uns das ganze mal anschauen, alles laufe friedlich ab und es waeren ausser un noch unzaehlige andere zuschauer auf den strassen unterwegs...also fuhren wir hin und beobachten die maenner, wie sie da zu lautem tiefen trommeln und echoverstaerktem gaensehaut-sprechgesang im takt ihre silbernen staebe schwangen...ich fand die atmosphaere ausserst berueckend und gruselig und war froh, als wir mit unserem freund daniel und dem franzosen gael wieder zu A. ins auto stiegen. nach ein paar metern wurden wir jedoch von dunkel gekleideten maennern rausgewunken. wir haetten bilder gemacht, seien auslaender, sie wollten unsere kameras checken, wissen, ob wir journalisen seien....A. erklaerte uns spaeter, es seien typen vom iranischen sicherheitsdienst. die "normale" polizei kam auch noch ins geschehen und meinte, wir sollten einfach weiterfahren, es sei schon ok...aber die sicherheitsdienstleute machten stress, weil wir keine passports dabei hatten, verriegelten die autotueren und diskutierten mit A. und der polizei so lange, bis wir mit der polizei aufs revier fuhren. wir vier auslaender sollten warten, bis unser iranischer freund A. unsere paesse aus der wohnung gebracht hatte...eineinhalb stunden vergingen in dem stickigen raum und ich hatte solche angst, dass einer der polizisten mit zu A. in die wohnung gekommen war und gemerkt hatte, dass wir alle bei ihm wohnten und nicht in einem hotel uebernachteten...couchsurfing ist im iran verboten, dennoch ist die zahl der gastgeber gross. als A. endlich mit den paessen kam und wir gehen konnten, erzaehlte, er, die polizisten haetten nichts gegen ihn gehabt und wollten ihm sogar einreden, er sei das opfer und wir haetten ihm nur luegen erzaehlt usw..uns es war unser glueck, sagte er, dass wir mit der polizei und nicht mit dem sicherheitsdienst mitgefahren sind - sonst haette es mitunter 24 stunden gedauert, bis wir wieder auf freien fuss gekommen waeren..ich war so erleichtert, dass nichts schlimmeres passiert war! in dieser nacht waren wir noch alle betrunken...:)

strassenfreundschaften: nach einer weile im iran hatten wir schon keinen ueberblick mehr, zu wem welcher name und welche gespeicherte nummer in unserem handy gehoerte. es passierte eigentlich fast taeglich, dass wir irgendjemanden in der metro oder im taxi oder einfach auf der strasse trafen, der uns ansprach und uns in ein gespraech verwickelte. und auch wenn es nur um unsere herkunft oder um die frage "iran...gooood?" ging und auch wenn unser ploetzlicher freund nur ein paar brocken englisch sprach, erhielten wir in den meisten faellen gleich seine nummer, fuer den fall, das wir hilfe, rat oder einen guide brauchten. zwar fragten wir uns manchmal, wie denn ein telefonat ablaufen sollte, wenn keiner die sprache des anderen verstand. aber gut. man muss auf jeden fall festhalten, dass die iranische hilfsbereitschaft unglaublich gross ist! ..."if you do a favour, do it completely!"

...
ein land, das nicht wiklich dem von westlichen medien gezeichneten duesteren bild entspricht. ein land, in dem viele der menschen viel offener zu fremden sind, als erwartet. ein land, in dem unsere namen mit dem frueheren fuehrer emam khomeini und mit "wissenschaftler" assoziiert werden. ein land mit vielen grenzen und vielen moeglichkeiten. ein land, dass uns definitiv viel gelehrt hat - ueber uns selbst und was das wort "kulturunterschied" bedeutet.

alles gute und bald mehr von uns aus central asia!
liebst, emma (und elmi)

(die fotos zu diesem beitrag koennt ihr im post "iran in bildern" sehen.)

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