Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Müslümanlar çay içmek!

Lieber Lesezirkel,

Müslümanlar çay içmek! heisst so viel wie Moslems trinken Tee! - Und damit Herzlich Willkommen!
Ich moechte diesen Post traditionsgemaess mit ein bisschen Musik schmuecken. Dieses Mal, abschliessend zum vorherigen Land, tuerkische Musik - und zwar in vielen verschiedenen Facetten. Natuerlich ist es allein unsere Empfindung und es gibt sicherlich viele, die das Ganze total anders sehen. Ausserdem haben wir ja waehrend unseres Tuerkei-Aufenthaltes nur einen minimalen Einblick genossen:

Beginnen wir aber mit etwas Besonderem und ich sage euch: Lieder wie diese sind selten! Erstens ist folgender Titel in Englisch, zweitens singt der Saenger nicht andauernd im Tremolo und drittens ist die Musik sogar schoen. Der ein oder andere wird sich vielleicht sogar erinnern. Bei mir klingelte es. - Athena - For Real.

Wir waren also in Çakraz. Von dort aus ging es immer am Schwarzen Meer entlang durch die gruen schimmernde Landschaft, durch kleine traeumerische Doerfchen ueber teils braun-schlammige Strassen und an schroffen, wuchtigen Bergen vorbei.
Wo wir ausstiegen, zogen wir Blicke auf uns. Oftmals gab es zumindest einen Mutigen, der dann auf uns zu kam und uns fragte, wo wir herkaemen. Meistens wurde dann unsere Antwort wiederholt und man willkommen geheissen. Die zweite Frage konnte bereits sein, ob wir verheiratet waeren. Oder sie lautete: "Çay?" - "Tee?"
Vor der Reise haette ich nicht gedacht, dass ausgerechnet die Tuerken so viel Tee trinken, wo doch bei uns der tuerkische Kaffee so beruehmt ist und wir ja bereits in der Schule im Kindesalter Lieder wie "C-A-F-F-E-E" singen mussten, bei denen zweifelsfrei klargestellt wurde, dass der "Tuerkentrank" uns nur blass und krank mache und wir doch nicht so suechtig werden sollen wie die Moslems! -
Nun, die Tuerken haben ihren Teil aus der Geschichte wahrscheinlich besser gelernt als wir. - Zumindest sahen wir hoechstselten jemanden, der sich des Suchtgetraenkes Kaffee bediente. Ob nun der schwarze Tee besser ist, ist die Frage, zumal vor und nach jeder Mahlzeit Çay serviert wird und zwischendurch sowieso! Aber meiner Wahrnehmung nach trinkt der Durchschnittsdeutsche um Laengen mehr Kaffee. Und zwar poetteweise!

An sich war diese Erfahrung sehr einladend und nett. Aber oft war nach dieser Geste auch Schluss. Wenn wir gefragt wurden, wo wir denn schlafen wuerden und ob wir ein Hotel braeuchten, erwiderten wir in vielen Situationen, dass wir es noch nicht wuessten und hoechstwahrscheinlich irgendwo zelten wuerden. - Die uns gegenueber vielgelobte Gastfreundschaft der Tuerken endete bei uns aber leider meistens nach dem Çay.
In Sinop, der Stadt, die dem Schwarzen Meer durch seine Landzunge (bzw. Seezunge) seine charakteristische Form verleiht, kamen wir dann aber doch noch "in den Genuss" tuerkischer Gastfreundschaft. Ahmed, ein Fischer, sprach uns auf Deutsch in einer Teestube an, wo wir auf Toilette gehen wollten. (Zu Emmas Entsetzen fanden wir aber nur ein Pissoir vor. - Das wohl eindeutigste Symbol fuer die Maennerdominanz.) Er nahm uns mit zu seinen pensionierten Kollegen, wir plauschten ueber seine Zeit in Deutschland, tranken Bier (!) und wurden zu ihm nach Hause eingeladen. Er wohnte in der Wohnung ueber seinen Eltern, hatte einen dreijaehrigen Sohn, den er als wir gegen Mitternacht eintrafen, bei seiner Mutter abholte. Die Wohnung war in einem kuemmerlichen Zustand. Starker Gestank stand in den Raeumen und Fluren und das Inventar war unglaublich verdreckt. Uber die sanitaeren Bedingungen schweigen wir lieber. Wir versuchten, so wenig wie moeglich anzufassen und im Bett schliefen wir lieber mit unseren eigenen Schlafsaecken. - Wobei ich ewig brauchte wirklich Schlaf zu finden, denn das Geraeusch von nagenden Maeusezaehnen hinter der Kommode liess nicht nach.
Wir waren dankbare Gaeste, bemuehten uns aber am naechsten Morgen, schnellstens wieder zu verschwinden! Somit waren wir ein bisschen bedient von der tuerkischen Gastfreundschaft.
Passend dazu ein Lied der Kategorie "Geht gar nicht": Sepet - Demet Akalın.
Spaetenstens am naechsten Tag in Samsun entschlossen wir uns, nicht mehr Zeit als noetig in Türkiye zu verbringen, nachdem wir auf dem Weg dorthin erneut auf ein Ekelpaket gestossen waren. Wir zelteten im Park und brachen nach einem staerkenden Fruehstueck auf. Von dort aus ging es dann relativ fix bis Trabzon

Wir hatten von Daniel, unserem inoffiziellen Iran-Experten und Freund von Locken-Lars (Danke fuer den Kontakt!), erfahren, dass dort ein Iranisches Konsulat ist, bei dem man das Visum innerhalb eines Tages bekommt.
Nach vielen positiven Reiseberichten und ausgiebigen Recherchen ueber den Iran, und die Planung der weiteren Reiseroute von dort aus, haben wir uns fuer die Aenderung unserer Route entschieden und dieses medienpraesente Land in unseren Reisekanon aufgenommen.
Meine Eltern und viele Freunde hielten das zuerst verstaendlicherweise fuer keine gute Idee. Aber wir haben diese Entscheidung nicht ueberstuerzt getroffen. Was man ueber den Iran hoert, liest und sieht ist doch zumeist sehr beeinflusst von der politischen Auseinandersetzungen mit der westlichen Welt. Jedoch beschreibt dies nicht im Geringsten die Bevoelkerung des Landes sondern lediglich die politische Position der Regierung. Und denken wir mal praktisch: Wo kommt man als Auslaender mit der Regierung in Kontakt, wenn man sich an die geltenden Regeln haelt? - Die Regeln sind natuerlich strenger und vielleicht fuer unsereins unverstaendlich und ungewohnt, aber so lange wir nicht als unverheiratetes Paar knutschend, mit kurzen Klamotten oder mit Amerika-Flagge herumrennen oder versuchen, das Christentum zu bewerben, wird uns schon nichts passieren. Und der neue Praesident scheint ja auch ganz positive Entscheidungen zu treffen. Natuerlich gibt es dort noch viel Zensur und Sperrungen (Facebook, Google etc.), aber auch das wird nicht so schlimm.
Auf jeden Fall klappte alles problemlos und wir trafen sogar ein paar andere Reisende. Samu, ein radelnder Deutscher, beantragte ebenfalls sein Visum. Seine Reiseroute klang, nebenbei gesagt, weitaus gefaehrlicher als unsere.

(Zwischendurch eines der noch harmlosen tuerkischen Songs: Dokunma - Seksendört)

Samu war auch derjenige, der uns Yusufeli empfahl. Wir verliessen also bei Iyidere das Schwarze Meer und fuhren landeinwaerts nach Ispir, durchquerten dabei wunderbare Natur und sahen erstmals in unserem Leben Teeplantagen, die uns entlang der Berge begleiteten. Wir zelteten wie so oft im Regen und versuchten, abermals sonntags, nach Yusufeli zu kommen. Schon die Woche zuvor kamen wir nur knapp sechzig Kilometer weit, obwohl wir den ganzen Tag gelaufen waren und getrampt hatten. Dieses Mal schienen wir mehr Glueck zu haben, als ein Mann in einer Dolmuş (tuerkischer Minibus) anhielt, und uns einlud.
Wir waren viele Stunden mit ihm unterwegs, fuhren auf kleinen, teils einspurigen Strassen, beobachteten die unheimlich riesigen Baustellen und schlaengelten uns so nur sehr langsam durch die Berge. Wir waren erleichtert, als wir unseren Zielort erreichten, denn es war schon dunkel. 
Wir hatten, wie immer, vor dem Einsteigen geklaert, dass wir kein Geld haetten, und er hatte uns versichert: "money no". Wie sich dann aber, achtzig Kilometer spaeter, in Yusufeli herausstellte, hatte er jedoch scheinbar "money normal" gesagt, was soviel heisst wie: "Natuerlich gegen Geld!". Denn er hielt die Hand auf rieb Daumen, Zeige- und Mittelfinger aneinander. Mein Herz plumste fast zu Boden: "Hatte er nicht gesagt, es sei okay ohne Geld?". 100 Tuerkische Lira wollte er haben. Natuerlich viel zu teuer! Das sind fast 40 Euro! Aber was sollten wir tun? Einerseits ueberwaeltigt vom Schreck, im Nachhinein andererseits zu widerstandslos gaben wir ihm das Geld, was wir extra abhoben und gingen resigniert schlafen. Die Tuerkei war wohl nicht unser Land... 
Bisher hatten wir nur einmal Geld bezahlen muessen: Zwei amerikanische Dollar, an den Moldaven, der uns mit ueber die Grenze genommen hatte und uns einreden wollte, trampen in Rumaenien sei viel zu teuer...! Aber nun ja. Auch das kann eben auf so einer Reise mal passieren. Letztendlich war es nur unser dritter Grund, das Land zu verlassen.

In Hopa, nahe der georgischen Grenze, kehrten wir in ein guenstiges Hotel ein, weil wir den Regen satt hatten und nach einem Bett und einer Dusche laechzten. Allerdings fragten wir uns auch hier, warum guenstig auch immer gleich versifft bedeuten muss? Aber dazu faellt mir nur ein, dass dies wohl im Vergleich zu dem, was uns wahrscheinlich mancherorts in Ost-Asien bevor steht, noch luxurioes war. Wir gaben all unser tuerkisches Geld fuer Essen aus und trampten nach Georgien. Als eine Dolmuş anhielt, waehnten wir uns schon im anhaltenden Unglueck, aber der Fahrer versicherte uns dieses Mal glaubhaft, wir muessten nichts bezahlen und so fuhren wir nach Sarp, wo wir zu Fuss die Grenze nach Georgien passiern mussten. Auf der georgischen Seite in Sarpi stiegen wir wieder ein und fuhren nach Batumi. Georgien verdient jedoch einen eigenen Post!

Abschliessend die tuerkische Radio-Musik als Endlosversion. Hoert euch das ohne Pause an, und ihr fuelt euch so, als waert ihr live dabei gewesen:  Türkçe Pop Müzik Mix 2013.

Exquisites Wohnhaus an der Schwarz-Meer-Kueste


Regen, Sonne und Wolken gingen mit uns Hand in Hand.


Geschenke muss man mit viel Liebe wertschaetzen...


...und einander schoene Augen machen!


Malerische Landschaften nahe Ispir


Bergdorf auf dem Pass (vor Ispir)


Karge Landschaften - wunderschoen!


Fruehstueck in Yusufeli


im LKW nach Artvin


Die Landschaft erinnerte mich manchmal an die Fjorde in Norwegen


Die allgegenwaertige Halbmond-Flagge



100% ELMA

Ganz viele Gruesse an alle, die mit uns "reisen"!
Eine grosse georgische Umarmung aus Tbilisi,
Euer Elmi :)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen