Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Dienstag, 22. Oktober 2013

Die Geschenke von Karabakh

Was Ruhiges als Lesemusik: múm - Finally We Are No One [Full album]

Anekdote vom Montag:
"Es ist dunkel und die Scheinwerfer des Autos lassen nur erkennen, was unmittelbar davor ist.
Ich sitze mit Hauslatschen auf dem Beifahrersitz eines alten Lada Niva. Wir fahren ueber eine alte Bruecke. Schlagloecher, abgebrochene Gelaender. Wir halten nach kurzer Fahrt in einem Grundstueck an, der Fahrer steigt aus, reicht dem Jungen, der auf ihn zu kommt, zwei Flaschen Oel aus dem Kofferraum, steigt wieder ein und laesst das Auto zureckrollen. Er legt den Rueckwaertsgang ein und laesst die Kupplung schnippen. Der Wagen springt an. Nur wenige Meter weiter, vor einem alten Bauernhaus, halten wir wieder. Hier sei das "Magasin", der Einkaufsladen, erzaehlt er mir. Wir verlassen beide den Lada und der Mann, dessen Name ich vergessen habe, klingelt. Eine kleine, rundliche Frau oeffnet die Tuer. Wir kaufen Wein, Cognac, Bier und zu Essen. Zurueck geht es wieder ueber die einspurige Bruecke. Wir muessen warten, wir haben Gegenverkehr. Als der Kleinbus neben uns haelt, kurbeln beide die Fenster herunter. Sie reden schnell. Der Mann im Bus reicht ihm einen Schraubenschluessel. Mein Fahrer legt ihn hinter sich in den Fussraum. Ein kurzer Abschiedsgruss und dann geht es weiter. Als wir am einzigen beleucheten Haus vorbei kommen, stoppen wir abermals. Maenner, die alle staubig sind, schleppen Saecke von dem kleinen scheunenartigen Schuppen in den Transporter, der davor abgestellt ist. Im Schuppen laeuft eine Maschine. Sie zerkleinert Getreide und Mais. Das seien seine Angestellten, erklaert mir der Mann neben mir, nachdem er wieder eingestiegen ist. Wieder laesst er seinen 4-Wheele-Drive losrollen, bevor er ihn mit dem dritten Gang startet. Als wir bei seinem Haus angekommen sind, treffe ich meine Freundin im Wohnraum wieder, wie sie der Familie unseren Blog am Computer zeigt.
Ein phantastischer Tag in Karabakh geht zu Ende."

- Wir hatten eigentlich das Land bereits wenige Stunden vorher verlassen. Ueber einen Feldweg, der das Dorf, in dem der Lada-Fahrer Bagrat und seine Familie wohnen, mit Goris in Armenien verbindet, reisten wir nachts aber illegal wieder ein, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Dass er in Karabakh wohnt, stellten wir erst heute fest, als wir zusammen auf die Landkarte schauten.
Bagrat hatte uns eine Mitfahrmoeglichkeit nach Goris organisiert. Der schwarze Volga vor der Tuer wuerde uns in die Stadt fahren. Bevor wir letztendlich losfuhren, musste auch noch andere Dinge erledigen. Die Rucksaecke lagen im Kofferraum auf frischem Obst verstaut, die Klappe jedoch offen und nur mit einem duennen Band festgebunden. Einer seiner Kumpels, ein Halbglatziger mit kleinem Bierbauch und Jogginganzug war deutlich neugieriger als noetig, bestand darauf, ihm unsere Reisepaesse und unsere Kamera auszuhaendigen. Als wir ihn skeptisch anschauten, meinte er, er sei Polizist! Als wir protestierten, begleitete er uns zur Polizeistation. Dort wurden uns zwei Stuehle an der Wand zugewiesen und wir fanden uns in einem Bueroraum vor einem grimmig schauenden Mann wieder, der am Schreibtisch sass. Er stellte uns Fragen auf Russisch und wir antworteten so gut es ging. Es gaebe kein Problem, sagte er, auch wenn die Situation nicht gerade diesen Anschein machte. Reisepaesse mussten kopiert, Bilder mussten angeschaut und fremdsprachige Telefonate mussten gefuehrt werden, bevor wir gehen durften. Viele dieser Uniformierten genossen es sichtlich, mit ihren Lackschuhen klackernd ueber den Holzboden zu laufen und uns mit pruefenden Blicken zu belegen. Viele Erklaerungen, einige Sorgen und verabschiedende Haendedruecke spaeter, waren wir unterwegs Richtung Goris. Die Strasse zog sich ueber fuenfzig Kilometer durch unbewohntes Land, gruen, bunt, schroff und karg. Der blaue Himmel bildete einen krassen Kontrast!

Die Tage in Karabakh waren gepraegt von intensiven Gespraechen und bluehenden Gedanken, unbegreiflich schoenen Herbstfarben und grauen Regenwolken, leckeren Mahlzeiten und morgendlichem Kaffeegenuss. Vor der Grenze trafen wir auf zwei Weltreisende aus Freiburg, die ebenfalls per Anhalter in die Hauptstadt, nach Stepanakert, unterwegs waren. Wir landeten im selben Auto und konnten so den Abend zusammen verbringen. Wir assen zusammen, erzaehlten im Kerzenschein Reisegeschichten und tauschten uns aus.
Am naechsten Tag reisten wir weiter bis zum Kloster Gandzasar in Vank. Mit zwei Autos. Beide Fahrer wollten eigentlich gar nicht dort hin fahren und taten es extra fuer uns.
Wir zelteten auf dem Friedhof, obwohl wir von einem Moench ins Gaestezimmer eingeladen wurden.
Wir sprachen wieder, sassen zu viert im Zelt, geschuetzt vor dem Regen und der Kaelte.
Es war eine sehr inspirierende Begegnung fuer mich. Sie schienen so voller Ideen zu sein, so begeistert von vielen Dingen auf einmal und genossen das Reisen auf eine ganz aehnliche Weise wie wir, da auch sie aufs Fliegen verzichten wollen und hauptsaechlich durch die Welt trampen. Andererseits unterscheiden sie sich von uns einfach durch vieles, was wir seit Beginn der Reise verlernt haben. Zum Beispiel: Den Ort zu zelebrieren! Die Schoenheit der Landschaft wieder mehr zu wuerdigen, die Besonderheit der Situation anzuerkennen, die Reichhaltigkeit von Mahlzeit und Schlafplatz zu loben, auf die Liebe von Mitmenschen aufmerksam zu machen und das Ganze reflektiert und bestimmt rueber zu bringen. Das hat mich stark beeindruckt!
Wie leer doch unsere Reise eigentlich ist, wie projektlos? Nicht, dass ich mich vergleichen moechte. Es geht viel mehr darum, dass wirklich etwas fehlt. Naemlich der Teil in mir, der sich danach sehnt, etwas zu erschaffen. Etwas Besonderes zu machen, etwas, was die Reise verarbeitet auf eine Art und Weise, die mich erfuellt und mich befriedigt! Aber so etwas habe ich bisher einfach nicht gefunden. Und danach zu suchen habe ich schlicht und einfach vergessen, zu meinem eigenen Bestuerzen!
Also waelzte ich mich lange Stunden hin und her, fand nur schwer Schlaf und versuchte, so viel positive Energie wie moeglich aufzusaugen!
Mit vielen neuen Wegweisern im Kopf, mit einem breiten Laecheln und einem dankbaren kurzen Abschied, trennten wir uns in Stepanakert wieder. Aber unsere Wege fuehren ueber die gleichen Strassen, sodass wir uns vielleicht schon bald wieder treffen.
Einen Steinwurf von dort entfernt, wo wir "Bis bald" gesasgt hatten, wurden wir zum Kaffee eingeladen, bekamen Gebaeck gereicht und legten eine kurze, unvermeidbare Pause ein. Als wir wieder die Daumen in die Luft hielten, stoppte ein junger Mann, der uns zu einem Busbahnhof bringen wollte. Eine Situation, wie sie schon oft passiert ist. Ein Taxi wollten wir auch nicht nehmen, erklaerten wir, da wir ohne Geld reisen wollten. Trotz unseres Protestes, sobald wir merkten, was er vorhatte, steckte er uns eine 20.000 Dram-Note zu. Er fuhr uns sogar ans andere Ende der Stadt an eine bessere Stelle und wollte noch immer nicht das Geld zurueck haben. Und so behielten wir es, im Bewusstsein, damit etwas Gutes zu tun. Wenig spaeter trafen wir dann auf Bargrat, seine Frau und ihre Freundin. Er lud uns in Berdzor ein und wollte uns ein Stueck naeher an die Grenze bringen. Unsere Erzaehlungen gefielen ihm, und er bat uns mit zu ihm zu kommen. Es sollte eine Stunde von Goris entfernt sein und er wuerde uns auch wieder dahin zurueck fahren am naechsten Tag. Eigentlich war unser Plan ja, zielstrebig Richtung Iran zu reisen. Aber wir entschieden uns, der armenischen Familie Gesellschaft zu leisten und kamen dort in den Genuss einer warmen Dusche, eines traditionellen Abendessens und weichen, gemuetlichen Betten! Wir sind nun wieder um ein paar liebe Freunde reicher und durften, bevor wir das Land wieder verlassen, nochmals diese unendliche Gastfreundschaft geniessen. Wir gaben tatsaechlich an diesem Tag keinen einzigen Cent aus. So unbeschreiblich reich - in allen Belangen - habe ich mich lange nicht gefuehlt. Fast zu gut, um wahr zu sein! Ich hoffe, ich kann die Gedanken der letzten Tage ordnen und die Reise mit persoenlichen Projekten beleben, die es noch besonderer machen!
Bleibt behuetet und stets ein riesengrosses Dankeschoen fuer all eure Rueckendeckung! Sie gibt mir das Gefuehl von wahrer Freiheit!
Euer Elmi

2 Kommentare:

  1. man man man das klingt alles so krass und im vergleich hierzu ganz schön unwirklich :) aber sammelt weiter
    Emil

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  2. Es ist wunderbar, Eure Berichte zu lesen und auf diese Weise zu erfahren, wie es Euch geht, liebe Emma und lieber Anselm. Wir folgen Euch in Gedanken und wünschen Euch gute Begegnungen und gute Erfahrungen. Bleibt behütet. Es grüßen Euch Ursula und Wolf aus Nordfriesland.

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