Fakten

Wir sind 849 Tage um die Welt gereist (11. Juni 2013 bis 07. Oktober 2015). Unsere letzte Station war Bangkok, Thailand.
Wir reisten 71844 Kilometer durch 26 Länder. Jetzt sind wir wieder in Deutschland und planen unsere naechste Reise.

Dienstag, 22. September 2015

Der Falang aus Jamminy

Hallo! 
(Es schreibt sehr viel: Anselm.)

Ob “Sussudei!”, “Sabadee!”, “Sawadee Ka(p)!” oder „Meng la ba!“ – Die Menschen in Suedostasien lieben es, „Hallo“ zu sagen. Es ist schoen, wildfremde Menschen auf der Strasse zu gruessen oder in vielen Situationen einfach die Handflaechen zum Gruss aneinanderzulegen. Selbst kleine Kinder sind mit dieser Geste schon ganz vertraut, was das Herz hoeher schlagen laesst! Untermalt wird die Begruessung oft mit einem ehrlich strahlenden Laecheln, das sehr ansteckend ist!

Mt. Phousi, Luang Prabang, Laos
  Wenn ich die Nachrichten aus Europa und insbesondere Deutschland verfolge, schaeme ich mich oft. Ich schaeme mich dafuer, wie kaltbluetig ignorant Menschen mit anderen Menschen umgehen und blind zu sein scheinen fuer die Tatsache, dass wir alle gleich sind. Dass einem Menschen das Recht zu steht, sich an einem Ort aufzuhalten und einem anderen Menschen nicht, liegt jenseits meines Verstaendnisses.

Die Warmherzigkeit und Offenheit, die einem in Asien oft zu Teil wird, laesst mich hoffen, verstehen und loslassen. 
– Hoffen  darauf, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft lernen, sich besser zu verstehen; 
Verstehen, dass offene Herzen und offene Tueren der beste und einfachste Weg zu Frieden und Gerechtigkeit ist; 
Loszulassen, was einem stets und staendig das Gefuehl gibt, sich anpassen zu muessen oder das Loslassen von Dingen, die wir faelschlicherweise fuer lebensnotwendig halten.
Ganz oft ist es das „simple“ Landleben, was mich diese Gedanken denken laesst. Es ist die Einfachheit, die Singularitaet, das Notwendige, auf das alles zurueckzufuehren ist.
In einem Dschungeldorf, wo das Wasser aus dem Brunnen geholt und wo ueber dem Feuer gekocht wird, wo die Haeuser aus Bambus und Blaettern gebaut sind, und die Waende mit blauen Planen regendicht gemacht werden und wo rundherum hauptsaechlich Gruen ist. Gruen und Wolke und Regen und vielleicht ein paar Huehner, Hunde und Katzen. Dort fuehle ich mich dann manchmal so ueberfuellt mit Sorgen aus einer Zivilisation, die sich ueber Wachstum und Weiterentwicklung definiert und sich doch zurueck zu entwickeln scheint, zumindest was Empathie und Naechstenliebe anbelangt. Und fast empfinde ich fuer das Wenige der Menschen hier aus dem Dorf ein bisschen Neid - Fuer den Mann mit den Lachfalten, der gerade mit der Machete das Feuerholz hackt, waehrend seine Kinder nackt und vergnuegt ueber die regennassen Matschwege vor den selbstgebauten Holzhuetten rennen. 
Es is das entschleunigte Leben, das mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit dem Schein der Kerze zu Ende geht, das nackte, echte Leben, so schwierig es wohl in Wahrheit manchmal ist, was mich in den Bann zieht. Es sieht alles harmonisch aus, er sieht zufrieden aus. Hier ist das Miteinander wichtig, ehrlich, offen und unabdinglich. Fuer Rassismus, Misstrauen, Missgunst, Gier und Eifersucht scheint einfach kein Platz in einem solchen Umfeld zu sein… 

Hier reden Menschen miteinander, jeder mit jedem, egal ob im Bus, zwischen Nachbarn, oder auf der Strasse. Das Leben findet sowieso mehr draussen statt. Jeder kennt sich im Dorf und scheint befreundet oder verwandt zu sein, man hilft sich vollkommen selbstverstaendlich weiter. - Wenn ich mich an unsere „entwickelte“ Gesellschaft erinnere, dann bin ich mir unsicher, ob die Anonymitaet, die oftmals vorherrscht, nicht eher ein Rueckschritt, als ein Fortschritt ist. So oft ich in Asien ein bisschen mehr Privatsphaere vermisst habe, so ist das Miteinander nach mitteleuropaeischem Lebensmodell, wie ich finde, ziemlich unterkuehlt.


Ich bin dankbar fuer den Lebensstandard, den es in Europa gibt, und froh, dort geboren zu sein. Ich bin dankbar, dass weder ich, noch meine Eltern Krieg erleben mussten. Ich bin froh, dass wir uns nicht um Essen und Trinken, Wohnung oder Kleidung Sorgen machen muessen. Ich bin dankbar, dass Kinder in die Schule gehen koennen.  – Und sind das nicht eigentlich auch jene Grundbeduerfnisse, die sich jeder wuenscht? Sind diese Grundbeduerfnisse nicht fuer jeden Menschen gleich?
Viele Leute scheinen das dieser Tage zu vergessen…

Luang Prabang
Seit nun schon vier Monaten reisen wir durch Suedostasien: von Norden nach Sueden und wieder nach Norden, hin und wieder ein bisschen weiter Richtung Westen, und beim Blick auf die Karte bekomme ich manchmal das Gefuehl, wir kaemen nicht so richtig vom Fleck. Aber es wird nicht langweilig und jedes Land ueberrascht auf seine eigene Art. Es ist interessant zu sehen, wie und worin sich die Menschen und die Kulturen unterscheiden, mehr ueber die Geschichte und die Hintergruende zu lernen und Verbindungen zu knuepfen. Ich habe mich stets willkommen gefuehlt und wurde immer herzlich aufgenommen. Selten wurde ich irgendwo so selbstverstaendlich integriert, wie in Vietnam, Kambodscha, Laos, Thailand oder Myanmar.

Und dennoch gibt es viele Kapitel in der Historie, die einem den Magen kruemmen: Die flaechendeckenden Bombardements von Laos zur Zeit des Vietnam-Kriegs durch die US-Armee und dessen Folgen (u.a. sind noch heute viele Teile des Landes voller Blindgaenger und Minen), der Genozid in Kambodscha unter dem Khmer Rouge Regime, etc. – Und obwohl die vielleicht dunkelsten Teile der Geschichte, Graeueltaten unglaublichen Ausmasses, eng verknuepft waren mit den westlichen Besatzungsmaechten, sind die Menschen dennoch voller Freundlichkeit gegenueber Falang (Lao, Thai fuer „Auslaender“) aus aller Welt.

Den westlichen Einfluss kann man deutlich spueren. Und damit meine ich nicht Nestlé, CocaCola, McDonald’s und KFC – die gibt es hier natuerlich leider mittlerweile auch ueberall (schrecklich!). Sondern ich meine Dinge, die bereits Teil der Kultur geworden sind. Besonders kulinarisch faellt das auf. Die Menschen erfreuen sich an Baguette-Sandwiches und gutem Kaffee, alles ein bisschen asiatisch aufgepeppt! („You want spicy?“) 
Wer ein bisschen franzoesische Kolonial-Architektur sehen moechte, der kann nach Luang Prabang reisen. Dieses kleine, am Mekong gelegene, gemuetliche Staedtchen im Norden von Laos hat niedliche Cafés, praechtige Tempel und liegt inmitten wunderschoener Natur. Rundherum gibt es malerische Wasserfaelle (Tuk-Tuk-Fahrer:„You go waterfall?“) und Hoehlen und am Abend verwandelt sich die Hauptstrasse in einen Night-Bazaar, auf dem Handgemachtes angepriesen und gefeilscht wird („You buy, I give you good price!“). Auf der Food Street kann man sich an einem Buffet den Teller fuer umgerechnet 1,- € voll laden und dazu fuer den gleichen Preis eine Flasche frisches Beerlao geniessen (das vielleicht beste Bier Asiens!). Jeden Morgen bei Sonnenaufgang sammeln die buddhistischen Moenche Almosen ein, die Locals stehen entlang der Strasse und verteilen Essen und Geld.

Schwimmen (ganz oben) in den Kuangsi Waterfalls, Luang Prabang

Mekong River - Ein treuer Begleiter!
Von Luang Prabang geht es per Anhalter weiter suedlich nach Vang Vieng und zurueck in Hauptstadt Vientiane. Dort gibt es uebrigens einen Triumph-Bogen, Lao Style. (Danke an Silas fuer diese entspannte Zeit!).

Trampen ist in SouthEastAsia (SEA) noch ein bisschen exotisch, besonders in Laos. In Cambodia geht es auch nur mit einem Magic Sign (Thanks to the South Africans!), in Vietnam ist es praktisch unmoeglich, denn es sind vor allem Motorraeder unterwegs und in Laos gibt es zwar hauptsaechlich Pick Up Trucks, aber die Laoten winken meistens nur laechelnd und Beistehende wundern sich (“You need taxi?”) darueber, dass wir die Pick Ups antrampen, die Busse jedoch nicht. Im Endeffekt klappt es doch und mit der Ueberschreitung der Grenze nach Thailand bin ich im Tramper-Paradies. So leicht wie hier, ist es wohl nirgendwo. Ich bin fuer eine Weile mit Giulia aus Italien unterwegs. Sie ist vor Laos noch nie getrampt. Sofort haelt ein LKW an. Der Fahrer kann zwar kein Wort Englisch, … spricht aber fliessend Italienisch! 



Bazaar in Luang Prabang
Vang Vieng, Laos


Monsunregen in Vang Vieng
Auf dem Weg zu Silas: Elmi, Giulia, Draupadi und Federico in Vientiane

Sonnenuntergang ueber dem Mekong in Vientiane

Selfie mit dem Thai-Italo Trucker, nach 10 Minuten in Thailand
Nachdem ich in SEA viele Vorurteile gegenueber Thailand entwickelt hatte und mich nicht so richtig darauf freute, verfliegen beim Trampen auf zahlreichen Pick-Up-Ladeflaechen alle Sorgen im Fluge. Sogar das Wetter wird besser. Nach Wochen und Monaten mit viel Regen und grauen Wolken, ist der Himmel blau und die Sonne prasselt auf mich ein. 
In Chiang Mai gibt es ein Wiedersehen mit Eero aus Finnland, den Emma und ich im November 2013 in Tehran trafen. Mit dem Motorrad geht es in die umliegenden Berge und weiter nach Pai, ein kleines Dorf, auf einem Plateau, zu dem eine kurvenreiche, enge Strasse hinauffuehrt. Dort gibt es heisse Quellen, schroffe Berge und unendlich viel Natur!
Ueber die antike Tempel-Stadt Ayutthaya geht es nach Bangkok. Dort couchsurfen Emma, Giulia und ich bei Um, seiner Mutter und seinen Hunden Antonio und Pablo. Emma kommt gerade von ihrem Vipassana Course. Das Haus ist voller Couchsurfer. Seit Mai ‚hosted‘ Um ununterbrochen. Die Khao San Road (Bangkoks beruehmteste Touri-Meile) wollen wir eigentlich meiden. Als wir vor Giulias Rueckflug gen Italien doch hingehen, laeuft Emma dem one-and-only Elad in die Arme!!! (Jubelschreie!) Und so wird es ein Ort des Wiedertreffens. Mein ehemaliger Kunming-Mitbewohner Joel ist auch in der Stadt. Und bevor es nach Myanmar geht, uebernachten wir noch ein paar Naechte bei den drei Fahrrad-Letten, die wir schon aus Vientiane kennen. Die Haelfte unseres Gepaecks koennen wir in BKK lassen.

In einem Tribal Village in der Naehe von Chiang Mai, Thailand

Peanut Butter Brot beim Trampen im geschlossenen Pick Up, Thailand
Wat Phra Si Sanphet in Ayutthaya, Thailand

Regenwolken ueber dem Wat Mahathat in Ayutthaya
Wir sehnen uns nach ein bisschen mehr Wildnis und Natur. Mit Zelt und Kocher brechen wir auf zu neuen Abenteuern... Myanmar ist eines meiner Wunschreiselaender gewesen, und verdient daher ein eigenes Kapitel!
Dass es spannend ist, kann ich schon verraten: So viele verrueckte Stories wie hier hab ich lange nicht mehr erlebt!

Abschliessend, weil ich viel an die Heimat denke, nochmal ein Denkanstoss: Die Frage, die man am haeufigsten gestellt bekommt ist die nach der Herkunft. Wenn ich ‚Germany‘ sage, erhalte ich jedes Mal positive Resonanz, bisher in jedem Land, durch das wir reisten, ohne Ausnahme. Die Leute sind beinahe euphorisch („Oh, Jamminy, verrry gooood!“) und stets sehr gluecklich, uns zu sehen. Was auch immer der Grund sein mag, so oft sind die Leute stolz, uns als ihre Gaeste begruessen zu duerfen, laden uns zum Essen ein oder wollen Bilder mit uns machen. Es kommt von Herzen und ist fast unendlich.
Ich habe auf diesem Kontinent so viel ueber Gastfreundschaft gelernt und habe daran gedacht, wie sich wohl jemand fuehlen mag, wenn er auf unserem Kontinent willkommen geheissen wird? Ich hoffe, es gibt genauso viele Menschen, die ihre Arme und Herzen ohne Angst und Vorurteile oeffnen und nicht daran denken, was fuer sie dabei heraus springt oder welchen Nachteil man davon tragen koennte. 
Jeder Mensch hat Staerken und Potential, jede Kultur birgt seltene Schaetze, jeder Glaube hat seine Weisheiten. Durch die Vielfalt und durch das Miteinander koennten wir so viel voneinander lernen und zusammen wachsen. - Und in Zukunft Kriege verhindern.  

Fangen wir doch vor unserer eigenen Haustuer an! 
"Refugees Welcome!" ist ein guter Anfang. – Denn kein Mensch ist illegal.

1 Kommentar:

  1. Toller Beitrag! Eure Art des Reisens imponiert mir sehr. Der unverfälschte und ehrliche Eindruck den ihr von Land und Leuten erhaltet ist unbezahlbar. Viele tolle Erfahrungen weiterhin :)

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